Wird Deutschland bald Schwellenland?

Shanghai. Foto: Pixabay

China wird wieder zum Reich der Mitte, Europa wird Peripherie

Seit mittlerweile rund 40 Jahren ist China auf Aufholkurs – und bald auf dem Überholkurs. Als Deng Xiaoping Ende der 1970er Jahre Schritt für Schritt das Ruder der Volkspepublik als »Paramount Leader« in die Hand nahm, war China noch bitterarm. Die Landbevölkerung hungerte und musste mit einem durchschnittlichen Einkommen von umgerechnet weniger als 50 US-Dollar pro Kopf und Jahr (!) auskommen. In vielen kleinen und vorsichtigen Schritten öffnete Deng Xiaoping sein Land für die kontrollierte Marktwirtschaft, zunächst auf kleine Sonderwirtschaftszonen an der Küste beschrängt, dann auf immer mehr Gebiete ausgedehnt.

Und heute? Machen wir uns nichts vor: Die 1,4 Milliarden Chinesen haben gerade erst Anlauf genommen, um uns zu überholen. Doch was sie bereits in den letzten 40 Jahren geschaffen haben, ist das größte Wirtschaftswunder aller Zeiten! Da mögen Börsenspezialisten und westliche Ökonomen noch so oft vor Immobilienblasen und Wachtstumseinbrüchen warnen. Wenn 1,4 Milliarden Menschen an Fahrt aufgenommen haben, lassen sie sich nicht mehr bremsen. China hat im 20. Jahrhundert dramatische Krisen mit zig Millionen Toten überstanden. Warum soll sich das Riesenreich von ein paar kleinen Wachtsumseinbrüchen aufhalten lassen?

Was ist der entscheidende Unterschied zwischen China und dem Westen?

In China wächst die Mittelschicht. Jedes Jahr wächst das Millionheer der Chinesen, die sich endlich eine schöne Wohnung, ein Auto und die Annehmlichkeiten der Konsumgesellschaft leisten können.

In Europa und Nordamerika schrumpft die Mittelschicht. Immer mehr Bürger werden wirtschaftlich abgehängt. Die Mieten steigen, die Krankenkassenkosten steigen, die Versicherungskosten steigen, die Lebenshaltungskosten steigen, doch die Löhne stagnieren und die Renten und Pensionen sind in Gefahr. Das ist kein typisch deutsches Krankheitsbild, sondern in vielen europäischen Ländern und in den USA zu einem allgemeinen Problem geworden.

China wird im Großen nachahmen, was Japan, Südkorea, Taiwan, Singapur und ehemals Hongkong vorgemacht haben

Die Tatsache, dass Städte wie Shanghai, Nanjing (Naking), Chonqching (Tschungking), Beijing (Peking), ja sogar Städte in der abgelegenen Mandschurei wie Shenyang (ehemals Mukden), Changchun (ehemals Xinjing) oder Harbin an japanische oder südkoreanische Verhältnisse und Lebensqualität anknüpfen, lässt deutsche Städte wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt alt aussehen.

Während in Berlin der Flughafen nicht fertig wird und die U- und S-Bahnen wie verwahrloste Dritte-Welt-Verkehrsmittel völlig verdreckt durch eine schmutzige Stadt fahren, wird man in Shanghai mit der Magnetschwebe-Bahn vom Flughafen zur sauberen City gebracht.

Der Blick auf Shenzhen lässt Deutschland alt aussehen

Eines der Industrie- und Technik-Zentren Chinas ist die kantonesische Stadt Shenzen am Perlfluss-Delta. Die Stadt profitierte anfangs als Werkbank im Hinterland für die Wirtschaftsmetropole Hongkong. Denn als Hongkong sich von einer Industriestadt zu einer Stadt der Finanzdienstleistungen wandelte, wanderte ein Großteil der Industrie nach Shenzhen ab. Dabei war auch viel High-Tech-Industrie. Heute bezeichnet man Shenzhen als das »Silicon Valley« Chinas; nur dass Shenzhen in größeren Maßstäben denkt als Kaliforniens Tech-Schmiede.

Die Stadt Shenzhen ist nach Angaben der UNO die am schnellsten wachsende Stadt in der Geschichte der Menschheit. Im Jahre 1950 lebten in der Agglomeration von Shenzhen rund 3.000 Menschen; es war eine Ansammlung kleiner Dörfer. 1980 lebten dort schon fast 60.000 Einwohner. Um 1990 waren es rund 850.000 und im Jahr 2000 schon über sechs Millionen. Heute leben in Shenzhen rund 13 Millionen Menschen!

Trotz des rasanten Bevölkerungswachstums ist Shenzhen außerordentlich sauber. Mittlerweile ist man sogar dem Smog Herr geworden. Dort werden alle öffentlichen Verkehrsmittel und die Mehrzahl der Taxis elektrisch betrieben. Innerhalb weniger Jahre wurden dort rund 17.000 Elektrobusse angeschafft.

Dass eine rasant wachsende Riesenmetropole wie Shenzhen (mit der Einwohnerzahl Bayerns) es schafft, seine Verkehrsprobleme zu lösen, aber eine verhältnismäßig kleine Stadt wie Berlin nicht, spricht Bände. Berlin ist zwar die Hauptstadt Deutschlands, aber alles andere als vorzeigbar, wenn es um Sauberkeit und Effizienz geht. Der Vergleich Berlins oder Frankfurts mit Shenzhen oder Shanghai ist aus deutscher Sicht beschämend. Er sagt mehr aus als alle Statistiken.

»Wir sind genauso intelligent wie Sie. Und wir arbeiten mehr. Wir werden Sie einholen.«

Manche Phänomene sind geradezu unheimlich: In China steigt der Durchschnitts-IQ der jungen Menschen durch den sogenannten Flynn-Effekt, der besagt, dass durch eine Verbesserung der Lernumgebung, durch intellektuelle Stimuli sowie einer besseren Gesundheitsversorgung und Ernährung die phänotypische Intelligenz der Menschen durchschnittlich ansteigt. Die Chinesen, Japaner und Südkoreaner haben einen Durchschnitts-IQ von ungefähr 105, während er in Mittel-Europa bei durchschnittlich 100 liegt. In Europa jedoch stagniert und fällt die Intelligenz aus verschiedenen Gründen (Verwahrlosung in Schulen und Familien, Zuwanderung, bildungsferne Erziehungsmentalitäten). Wenn man den Fleiß beziehungsweise die Lern- und Arbeitsbereitschaft der europäischen Jugendlichen mit denen der chinesischen Jugendlichen vergleicht, scheint es unmöglich zu sein, dass Europa seinen teilweise noch vorhandenen Vorsprung länger halten kann.

Man braucht keine magische Glaskugel, um für die Zukunft folgende Prognose abzugeben: Deutschland wird in absehbarer Zeit im Vergleich zu China auf Schwellenlandniveau fallen, selbst wenn wir es schaffen, für einen Teil der Bevölkerung den Lebensstandard auf dem heutigen Stand zu halten.

Der ehemalige französische Premierminister Jean-Pierre Raffarin sagte in einem Interview zu einer Dokumentation: »Ein chinesischer Premier sagte mal zu mir: 'Wir sind genauso intelligent wie Sie. Und wir arbeiten mehr. Wir werden Sie einholen, wenn Sie nicht mit uns zusammenarbeiten.'« Das war keine Drohung. Das war eine Voraussage, die sich mittlerweile längst bewahrheitet hat.

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