Lungenfachärzte halten NO2-Grenzwerte für übertrieben

Foto: Pixabay

Mediziner sehen hinter Diesel-Fahrverboten »ideogiegeleiteten Populismus«

Mehrere Lungenfachärzte zweifeln die Gesundheitsgefahr durch Stickstoffdioxid (NO2) an und fordern von der Politik eine Überprüfung der bestehenden Grenzwerte. Der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP), Prof. Dieter Köhler, hält einen Großteil der vorhandenen Studien zu Gesundheitsgefahren durch Dieselabgase als methodisch fragwürdig.

Köhler widerspricht somit der bisherige Position des aktuellen Vorstands der DGP, der Anfang Dezember auf Gesundheitsrisiken durch Feinstaub aus NO2 aufmerksam machte und sich die Studienergebnisse des Münchner Helmholtz-Instituts für Umweltmedizin zu eigen machte.

Die sahen erhebliche Gesundheitsgefahren durch Stickstoffdioxid bereits in niedrigen Konzentrationen wie dem derzeit gültigen Grenzwert für NO2 von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Sie verglichen die Krankheitslasten der Stadtbevölkerung mit denen von Menschen auf dem Land und lasteten die Unterschiede dem NO2-Ausstoß von Dieselfahrzeugen an.

Köhler führt die Unterschiede eher auf andere Faktoren wie unterschiedlichen Alkoholkonsum, Sport oder Rauchen zurück. »Man macht aus einer zufälligen Korrelation eine Kausalität, für die es keine Begründung gibt. Im Gegenteil: Man kann das sogar sehr gut widerlegen.« Er verweist auch darauf, dass der menschliche Körper selbst Stickstoffmonoxid herstelle und es gewohnt sei, mit solchen Stoffen umzugehen. Außerdem würde allein im Rauch einer Zigarette eine Millionen Mal mehr Feinstaub stecken. Demnach müsste jeder Raucher nach einer Zigarette tot umfallen.

Köhlers Kritik wird unterdessen mit mehr als 100 Unterschriften von Kollegen unterstützt und in einer gemeinsamen Erklärung von DGP, Deutscher Lungenstiftung und Verband Pneumologischer Kliniken verbreitet. Damit will der amtierende Präsident der DGP, der Hamburger Lungenfacharzt Klaus Rabe, auf Kritiker im eigenen Verband zugehen und eine sachliche Debatte über wissenschaftliche Grundlagen der derzeit geltenden gesetzlichen Grenzwerte ermöglichen. Rabe räumte ein, dass die Zahl der Kritiker unter den 4.000 Mitgliedern der DGP deutlich größer sei als zunächst angenommen.

Die Auseinandersetzung im Fachverband der Lungenärzte besitzt große Bedeutung für die derzeit laufende Diskussion um Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge, da der aktuell gültige gesetzliche Grenzwert in vielen deutschen Städten überschritten wird. Daher haben zahlreiche Verwaltungsgerichte Fahrverbote für Diesel-PKW verhängt. Die Kritiker halten das für unverhältnismäßig.

Auch der Chefarzt der Stuttgarter Lungenklinik im Krankenhaus zum Roten Kreuz, Martin Hetzel, unterstützt die Kritik von Köhler: »Es gibt keine Feinstaub- oder NO2-Erkrankung der Lunge oder des Herzens, die man im Krankenhaus antrifft. Es gibt auch keinen einzigen Toten, der kausal auf Feinstaub oder NO2 zurückzuführen wäre. Das ist unseriöser, ideologiegeleiteter Populismus«. In Stuttgart wurde gerade ein Verbot für Diesel-Pkw ab Euro-Norm 4 für die gesamte Umweltzone erlassen.

Die Lungenfachärzte um Köhler fordern die Bundesregierung auf, den derzeitigen Grenzwert für Stickstoffdioxid einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. Der Wert basiere auf einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation, welcher andere Länder wie beispielweise die USA nicht folgten, weil auch sie die wissenschaftliche Basis für unzureichend hielten.

‹‹ zurück