»Kontaktschuld« — Die indirekte Zensur

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Indirekte Zensur fast genauso wirksam wie staatliche Überwachung

Von den Europäern wird die Einschränkung der Meinungsfreiheit in China kritisiert. Doch in der EU geht man ebenfalls schnurstracks auf eine Gesinnungsdikatur zu. Dies funktioniert nur subtiler, sozusagen indirekt. Die Methoden sind klar: Es geht einerseits darum, nicht erwünschten Meinungen die Plattform zu entziehen, und andererseits darum, Meinungsträger zu isolieren.

Wer heute eine Äußerung am Rande der zuvor definierten »political correctness« (»politische Korrektheit«) wagt, der riskiert mitunter, seine Plattform, seinen Freundeskreis, seinen Arbeitsplatz oder sein Amt zu verlieren.

Diese Methode funktioniert sowohl in Europa als auch in Nordamerika zurzeit so gut, dass trotz verfassungsmäßig garantierter Meinungsfreiheit immer mehr Menschen nur noch mit vorgehaltener Hand offen sprechen.

»Guilt by Association« (»Kontaktschuld«)

Wer heute an die Öffentlichkeit tritt, sei es als Aktivist oder als Politiker, dessen Leben wird durchleuchtet, sei es online oder durch die Printmedien. Wehe, man hat in der Vergangenheit jemanden die Hand geschüttelt oder mit jemanden eine Bühne geteilt, der politisch als unkorrekt »gebrandmarkt« wurde.

Damit wird die offene gesellschaftliche Diskussion und Debatte lahmgelegt. Denn jeder muss bei einer öffentliche Runde darauf achten, dass die Vergangenheit der Gesprächspartner nicht auf einen selbst abfärben könnte.

So passiert es immer öfter, dass bestimmte Personen nicht zu Diskussionsrunden eingeladen werden oder öffentlich gemieden werden. Es geht gar nicht mehr primär darum, ob man dessen Meinung teilt oder nicht, sondern vielmehr darum, ob man mit selbiger gesehen werden möchte oder nicht. Die Diskussion gegensätzlicher Meinungen und Positionen wird somit erschwert oder gar unmöglich gemacht.

Kontaktschuld gab es als Vorwurf unter den Regimen der Nazis, in der DDR und UdSSR. Wer sich zur falschen Zeit mit falschen Leuten traf, war automatisch mitschuldig und verdächtig.

Kontaktschuld als Karriere-Killer

Heute fürchten viele Bürger um ihren Job, ihre Position, ihre Karriere-Chancen, wenn sie in der »falschen« Partei sind, einer »falschen« Organisation angehören oder sich öffentlich mit »falschen« Personen gezeigt haben.

Die Folge ist ein Distanzierungswahn, der die Politik, Wirtschaft, Kunst, die Medien und die öffentliche Debatte durchzieht. Jeder muss sicherstellen, dass Aussagen oder Ansichten keine falschen Assoziationen wecken oder den Verdacht »politisch unkorrekter« Verbindungen nach sich ziehen. Es ist wie mit Stallgeruch, den man nicht los wird.

»Deplatforming« (»Plattformentzug«)

Eine andere Form der Zensur ist es, kritischen oder oppositionellen Bürgern die öffentliche Plattform zu entziehen. Diese Methode wird von den Mainstream-Medien (Fernsehen und Presse) und den Online-Plattformen (YouTube, Facebook, Twitter) besonders gern genutzt.

Auf diese Weise kann sogar in einem Land wie den USA massiv zensiert werden, ohne dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung infrage gestellt wird. Die Methode funktioniert nach dem Motto: »Jeder hat das Recht auf seine eigene freie Meinung. Aber nicht jeder hat das Recht gehört zu werden«. Denn die Medien, die als private Unternehmen agieren, können ihre eigenen Richtlinien festlegen. Das Problem ist allerdings, wenn Medien und Onlineplattformen Monopolstellungen einnehmen. Dann werden oppositionelle Meinungen sozusagen öffentlich mundtot gemacht.

Rufmordkampagnen

Eine weitere Form, jemanden von der öffentlichen Plattform zu verbannen, ist es, den Ruf, das Image eines Bürgers zu zerstören. Das funktioniert so: Sobald jemand eine unkonventionelle oder ungebetene Meinung öffentlich vertritt, wird solange in dessen Biographie gesucht, bis etwas Negatives gefunden wird, das mit ihm dauerhaft assoziiert werden soll. Dann wird dies in den Medien solange breitgetreten, bis die Assoziationen vom Betroffenen nicht mehr getrennt werden können. Hierzu reicht oftmals ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat, das man wiederholt mit der Person verknüpft.

Ende der Meinungs- und Redefreiheit?

Wahre Meinungsfreiheit gibt es nur dort, wo unterschiedliche Weltanschauungen öffentlich frei diskutiert und debattiert werden können, ohne das die Teilnehmer einer Debatte anschließende Repressionen fürchten müssen.

»Ich lehne ab, was Sie sagen, aber ich werde bis auf den Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen« — Dieses Zitat wird Voltaire zugeschrieben.

Auch Noam Chomsky hatte sich klar für eine wirkliche Meinungsfreiheit ausgesprochen:

»Goebbels was in favor of free speech for views he liked. So was Stalin. If you’re really in favor of free speech, then you’re in favor of freedom of speech for precisely the views you despise. Otherwise, you’re not in favor of free speech.«

»Goebbels war für freie Meinungsäußerung, und zwar bei Ansichten, die ihm gefielen. Ebenso Stalin. Wenn du wirklich für freie Meinungsäußerung bist, dann bist du gerade für die Redefreiheit in Bezug auf Meinungen, die du selbst verachtest. Ansonsten bist du nicht für Redefreiheit.«

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