Ex-Verfassungsrichter Papier beklagt Verfall des Rechtsstaats
Foto: Tobias Klenze / Wikipedia/ CC-BY-SA 4.0 (Ausschnitt)
Deutschlands Regierungshandeln ignoriert immer mehr Gesetze
Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, übte im Gespräch gegenüber der »Bild« Zeitung deutliche Kritik an der bundesdeutschen Rechtspraxis. Es sei »etwas ins Rutschen gekommen, wenn der Staat selbst auf gewissen Gebieten Recht nicht anwendet, ignoriert oder nicht durchsetzt«, erklärte Papier.
»Indem geltendes Recht nicht eingehalten und durchgesetzt wird, wird ein ungutes Gefühl in weiten Teilen der Bevölkerung geweckt, was die Handlungsfähigkeit des Rechtsstaats anlangt. Das führt dazu, dass Vertrauen in unsere Rechtsordnung, in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert wird.«
Papier beklagt, dass das Resultat dieser Rechtspraxis »nach den Wahlen der letzten Zeit offenkundig« sei. So sei etwa beim Umgang mit Flüchtlingen und Migranten deutsches und europäisches Recht »über Jahre nicht wirklich umgesetzt worden und wird noch immer nicht durchgesetzt«. Es sei immer noch »in beträchtlichem Maße illegale Zuwanderung nach Deutschland zu verzeichnen«.
Eine Grenzschließung stehe gar nicht zur Diskussion, »aber Personen, die ersichtlich keinen Anspruch auf Asyl oder subsidiären Schutz in Deutschland haben, weil sie aus einem sicheren Drittstaat einreisen, ist nach geltendem deutschen Recht grundsätzlich die Einreise zu verweigern.« Dieses wird von der Regierung einfach ignoriert.
Erhebliche Mängel in der Rechtsumsetzung sieht Papier auch beim Diesel-Skandal. »Da geht es nicht nur um die Industrie und deren Manipulationen, sondern auch um Politikversagen«, kritisiert Papier. Der Diesel-Skandal habe auch deutlich gemacht, dass seit Jahren verbindliches europäisches Recht nicht umgesetzt worden sei.
Er beobachte die Entwicklung mit Sorge, weil die Grundidee des demokratischen Rechtsstaates dadurch angegriffen werde. Denn die Schwäche des Rechtsstaates sei eine Bedrohung für die Demokratie: »Dann kann sie zur Willkürherrschaft der Mehrheit über die Minderheit werden.«