Bundesverwaltungsgericht lässt Diesel-Fahrverbote zu
Enteignung von 13 Millionen Autofahrern hat begonnen
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Dienstag entschieden, dass Städte zur Senkung der Luftbelastung grundsätzlich Fahrverbote für Dieselautos verhängen können. Eine bundeseinheitliche Regelung sei demnach aber nicht nötig.
Im konkreten Fall urteilten zuvor bereits Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf nach Klagen der Deutschen Umwelthilfe, dass auch Fahrverbote zur Luftreinhaltung in Betracht gezogen werden dürfen.
Dagegen legten die Bundesländer Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen Revision beim Bundesverwaltungsgericht ein, weil sie die rechtliche Zuständigkeit für Fahrverbote beim Bund sahen. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Revisionen weitgehend zurück.
Betroffen von Fahrverboten sind nun Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm 5 oder schlechter. Diesel mit der Abgasnorm Euro 6 dürften weiterhin in allen deutschen Innenstädten fahren. Betroffen rund 13 Millionen Halter von älteren Dieselfahrzeugen.
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts forderte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) abermals die Einführung einer blauen Plakette im Rahmen einer bundesweit einheitlichen Regelung.
Diese Plakette müsse jetzt kommen, erklärte Kretschmann. Dies sei »unabdingbar, um kommunale Flickenteppiche zu vermeiden und eine effektive Kontrolle zu ermöglichen«. Das Urteil gehe in seiner Relevanz weit über Stuttgart und Düsseldorf hinaus.
»Nur mit einer bundesweit einheitlichen Regelung ist eine vernünftige Umsetzung des Gerichtsurteils machbar«, sagte der Grünen-Politiker und kündigte für Baden-Württemberg eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans an, um den Anforderungen des Gerichts gerecht zu werden.
Auch Hamburg teilte mit, die bereits vom Senat beschlossenen Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge jetzt kurzfristig umsetzen zu wollen. Es werde schon April 2018 »Durchfahrtsbeschränkungen« für ältere Diesel-Fahrzeuge an zwei Straßenabschnitten geben, wo die Werte für Stickstoffdioxid über dem EU-Grenzwert liegen.
Handwerk und Einzelhandel warnen nun vor einer breiten Einführung von Fahrverboten . »Werden Dieselfahrzeuge aus der City verbannt, kann es zu großen Verwerfungen bei der Nahversorgung kommen«, warnte der Präsident des Mittelstandsverbandes BVMW, Mario Ohoven.
Die Kommunen sollten jetzt alles tun, um solche Verbote zu vermeiden und andere Möglichkeiten zur Reduzierung von Schadstoffen ausschöpfen. In erster Linie seien nun die Autobauer in der Pflicht, über Software-Updates hinaus endlich auch technische Nachrüstungen älterer Diesel vorzunehmen und die Kosten zu tragen. Die Entscheidung gefährde die Existenz vieler kleiner und mittlerer Unternehmen, klagte Ohoven.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnte vor dem »Irrglauben«, Fahrverbote für Diesel allein könnten die Lösung für die Schadstoffprobleme bringen. Dieser Eindruck sei falsch, sagte Verbands-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.
»Diesel-Fahrverbote sind in vielerlei Hinsicht völlig abwegig und liegen allein im Interesse der Anti-Diesellobby«, kritisierte der AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland. »Das Vorgehen gegen den Dieselmotor greift vor allem die exportstarke deutsche Automobilindustrie an. Dieselmotoren sind effizienter als Benziner.«
FDP-Chef Christian Lindner nannte das Urteil einen »Schlag gegen Freiheit und Eigentum, weil wir uns zu Gefangenen menschengemachter Grenzwerte machen.« Der Automobilclub ADAC warnte vor Fahrverboten. »13 Millionen Dieselautos aus Innenstädten auszusperren, wirkt wie eine Enteignung und ist gleichzeitig ein gigantisches Konjunkturprogramm für die Autoindustrie«, sagte Vizepräsident Ulrich Klaus Becker.